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Frist versäumt oder nicht? Das ist nicht immer leicht zu beantworten.

|   Der Steuerratgeber - Kolumne in der Aachener Zeitung

Die Einhaltung von Fristen und der Zeitpunkt der Bekanntgabe von Entscheidungen der Finanzverwaltung im Besteuerungsverfahren sind von großer Bedeutung. Versäumte Fristen können zum Ausschluss weiterer Handlungen führen. Wie genau das Ende von Fristen betrachtet werden kann zeigen der Gerichtsbescheid des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 03. Mai 2021 und der anschließende Beschluss vom 14. Juni 2021 mit dem Aktenzeichen 9 K 168/20.

Zunächst muss man wissen, dass eine Entscheidung des Finanzamts durch schriftlichen Verwaltungsakt mit Zugang beim Steuerpflichtigen bekannt gegeben wird. Bei förmlicher Zustellung, wie z.B. bei Zustellung durch Postzustellungsurkunde, ist dieser Zugang eindeutig.

Bei Übermittlung durch einfachen Brief gilt der Verwaltungsakt drei Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Fällt der letzte der drei Tage auf einen Sonn- oder Feiertag verlängert sich die Frist auf den nächsten Werktag. Die Frist endet mit Ablauf des Tags der Bekanntgabe. Diese Fiktion ist nicht anwendbar, wenn der Brief entweder gar nicht oder tatsächlich und nachweisbar zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Im entschiedenen Streitfall war dies so.

Ein Steuerpflichtiger, vertreten durch einen Steuerberater, hatte in seiner Einkommensteuererklärung Werbungskosten geltend gemacht. Diese Werbungskosten wurden bei der Veranlagung nicht im beantragten Umfang anerkannt. Gegen den ergangenen Einkommensteuerbescheid wurde fristgerecht Einspruch eingelegt. Nach weiterer Erörterung des strittigen Sachverhalts durch das Finanzamt kam dieses zu dem Schluss, dass sogar zum Nachteil des Steuerpflichtigen weitere Werbungskosten nicht anzuerkennen wären. In einem solchen Fall muss das Finanzamt den Steuerpflichtigen darauf aufmerksam machen, dass bei Aufrechterhaltung des Einspruchs eine sogenannte Verböserung erfolgt und weitere Werbungskosten unberücksichtigt bleiben. Der Steuerpflichtige kann dann entscheiden, ob er den Einspruch zur Abwehr der Verböserung zurückzieht oder nicht.

Das Finanzamt drohte die Verböserung an und nachdem seitens des Einspruchsführers keine Reaktion erfolgte lehnte das Finanzamt den Einspruch durch Einspruchsentscheidung ab. Hierbei blieben, wie angekündigt, weitere Werbungskosten unberücksichtigt. Die Einspruchsentscheidung wurde seitens des Finanzamts am 17. Oktober mit einfachem Brief bei der Post aufgegeben. Nachweislich und unstrittig ging diese Entscheidung dem vertretenden Steuerberater erst am 22. Oktober, also mehr als drei Tagen nach Aufgabe zur Post, zu. Zu welcher Uhrzeit war nicht mehr nachvollziehbar. Zur Vermeidung der angedrohten Verböserung zog der Steuerberater noch am selben Tag abends um 18.57 Uhr den Einspruch per FAX zurück.

Das Finanzamt lehnte die Einspruchsrücknahme mit Verweis auf ein Fristversäumnis ab. Zwar wurde der Zugang der Einspruchsentscheidung am 22. Oktober anerkannt, jedoch erfolgte nach Auffassung des Finanzamts der tatsächliche Zugang und somit die Bekanntgabe vor 18.57 Uhr. Da es bei nachgewiesenem späteren Zugang auf den Zeitpunkt des tatsächlichen Zugangs ankomme, also nach Stunde und Minute gerechnet, sei, so die Begründung des Finanzamts, um 18.57 Uhr die Frist zur Einspruchsrücknahme verstrichen.

Die hiergegen gerichtete Klage beim Finanzgericht hatte Erfolg. Die Richter räumten zwar ein, dass das Gesetz und die bisherige Rechtsprechung den tatsächlichen Zugang nicht exakt definiert haben, jedoch kann bei sachgerechter Auslegung der Vorschriften nicht erkannt werden, dass dies stunden-, minuten- oder gar sekundengenau betrachtet werden müsse. Das Niedersächsische Finanzgericht hat die Revision beim Bundesfinanzhof (Az. IX R 16/21) zugelassen.

Zur Vermeidung solcher Streitigkeiten sollte möglichst frühzeitig vor Ablauf von Fristen reagiert werden. 

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