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Zuschätzungen wegen geringer Mängel

|   Der Steuerratgeber - Kolumne in der Aachener Zeitung

Betriebsprüfungen der Finanzverwaltung, besonders in bargeldintensiven Geschäftsbereichen, werden oft genug von Diskussionen über Umsatzzuschätzungen begleitet. Dies ist vor allem der Fall, wenn die Buchführung oder andere Aufzeichnungen formale Mängel aufweisen. Bereits geringe Mängel werden zum Anlass für Änderungen und Schätzungen genommen. Aber es stellen sich die Fragen, wann ein Mangel gering ist und ob geringe Mängel zu solchen Maßnahmen berechtigen. Das Finanzgericht Münster (Urteil vom 09.03.2021, Az. 1 K 3085/17) sowie das Niedersächsische Finanzgericht (Urteil vom 16.06.2021, Az. 9 K 276/19) hatten sich mit diesen Fragen zu beschäftigen.

Im Münsteraner Fall bemängelte die Betriebsprüfung geringe Mängel in der Kassenführung eines Imbissbetriebs. Die Klägerin betreibt einen Imbiss und ermittelte den Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung. Zur Erfassung der Bareinnahmen, immerhin fast 30.000 Geschäftsvorfälle pro Jahr, verwendete die Klägerin eine elektronische Registrierkasse, für die sie die täglichen Bonrollen aufbewahrte. Der Betriebsprüfer stellte fest, dass in dem dreijährigen Prüfungszeitraum an fünf Tagen einzelne Barumsätze mit einer Gesamtsumme von knapp 100 Euro nicht in der Kasse erfasst wurden. Darüber hinaus wurden an neun weiteren Tagen Kassenbewegungen um wenige Tage verspätet in der Kasse verbucht. Eine Geldverkehrsrechnung sowie eine Ausbeutekalkulation des Prüfers wichen im Ergebnis nicht gravierend von der Norm ab. Gleichwohl schätzte der Prüfer über die tatsächlich festgestellten Mängel hinaus Umsatz und somit Gewinn hinzu.

Das Finanzgericht Münster sah dies anders und begrenzte die Höhe der Hinzuschätzung auf die festgestellten knapp 100 Euro. Die Kassenführungsmängel führten nicht dazu, dass die Aufzeichnungen insgesamt verworfen werden können. Dies ergäbe sich aus dem geringen Umfang hinsichtlich der Höhe als auch der Häufigkeit. Auch die durchgeführten Verprobungen führten lediglich zu Ergebnissen, die sich im Rahmen üblicher Unschärfen bewegten.

Bei dem Fall des Niedersächsischen Finanzgerichts handelte es sich um ein Fahrtenbuch und dessen Ordnungsmäßigkeit. In diesem Fahrtenbuch wurden Reiseziele nur mit Ortsnamen oder Abkürzungen angegeben, die Entfernung Wohnung und Betrieb nur mit 20 km (lt. Routenplaner sollten es 21 km sein) angegeben und zu guter Letzt der Vorwurf erhoben, dass das Fahrtenbuch nicht zeitnah, sondern im Nachhinein aufgrund von Tankbelegen und Werkstattrechnungen erstellt worden sei. Letzteres wurde vom Prüfer deshalb vermutet, da alle handschriftlichen Eintragungen mit ein und demselben Stift getätigt wurden.

In der Urteilsbegründung führten die Finanzrichter aus, dass der Begriff „ordnungsgemäßes Fahrtenbuch“ gesetzlich nicht bestimmt sei. Zwar reiche ein Eintrag „Dienstfahrt“ oder „Kundenbesuch“ nicht aus, aber gegen Ortsangaben und nachvollziehbare Abkürzungen seien keine Einwände zu erheben. Vor allem dann nicht, wenn Fahrtziele, Kunden und Reisezwecke sich regelmäßig wiederholen. Auch reiche die Zielangabe „Hotel“ aus, wenn sich aus den anderen Reiseunterlagen dessen Anschrift ermitteln ließe. Insofern sei dem Prüfer eine gewisse Mitwirkung bei der Ermittlung zuzumuten.

Die Abweichung von einem Kilometer bei den Fahrten zwischen Wohnung und Betrieb sei ebenfalls hinzunehmen, da verschiedene Routenplaner auch zu unterschiedlichen Ergebnissen kämen. Bezüglich des Vorwurfs der nachträglichen Führung des Fahrtenbuchs konnte der Kläger glaubhaft machen, dass er nur einen Stift für die Eintragungen benutzte, welcher auch ständig mit dem Fahrtenbuch zusammen im Fahrzeug aufbewahrt wurde. Im Übrigen machte das Fahrtenbuch auch vom Zustand her den Eindruck als dass es ständig in Gebrauch war.

Es kommt auf den Einzelfall an. Entscheidend ist der Gesamteindruck. Man sollte sich durchaus nicht alles gefallen lassen, zumal bei beiden Urteilen keine Revision zugelassen wurde. Allerdings möchte die Finanzverwaltung das Urteil aus Münster beim Bundesfinanzhof überprüfen lassen (Nichtzulassungsbeschwerde Az. V B 26/21).

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